Tödliche Dienstreise eines Benediktinerpaters

15. April 1912. Es ist 0.15 Uhr. Die Funker der Titanic senden den Hilferuf SOS aus. Sie sollen das noch stundenlang getan haben, bis das Schiff schließlich im eisigen Atlantik versank. Zu den Opfern dieser Katastrophe gehörte auch Pater Joseph aus dem Kloster Scheyern.

Hundertfach erforscht, beschrieben oder verfilmt wurde der Untergang der Titanic. Die Geschichte des Paters aus Scheyern würde dabei auch in eine Hollywood-Heldengeschichte passen. Joseph Peruschitz, geboren am 21. April 1871 in Straßlach-Dinghartingen (Kreis Wolfratshausen), war in Dorfen aufgewachsen. Nach seiner Schulzeit am königlichen Gymnasium in Freising nahm er am Lyceum ein Theologiestudium auf, währenddessen er in das Noviziat des Klosters Scheyern eingetreten ist. Im April 1895 wurde er zum Priester geweiht. Pater Joseph OSB war in Scheyern als Lehrer für Mathematik, Musik und Sport tätig und diese Lehrtätigkeit sollte ihn auch zu dieser verhängnisvollen Reise mit der Titanic führen.

Joseph Peruschitz OSB (Archivbild: Wikipedia mit freundlicher Genehmigung des Klosters Scheyern)

Pater Joseph sollte in den USA Aufbauarbeit leisten. In Minnesota baute der Benediktinerorden eine Schule auf und der Lehrer aus Bayern sollte dabei u.a. die Leitung der High School der Congregations Benedictine School übernehmen und an der Preparatory School des Saint John’s Abbey in Collegeville Kinder unterrichten. Zunächst reiste er dazu nach Ramsgate in Großbritannien, wo er die Karwoche im örtlichen Benediktinerkloster verbrachte. Am 10. April 1912 ging er – ausgestattet mit einem Zweite-Klasse-Ticket – in Southampton an Bord der nagelneuen Titanic. An Bord soll Pater Joseph zusammen mit dem britischen Father Byles regelmäßig Gottesdienste abgehalten haben. Und noch am Abend vor jener Kollision des Schiffs mit dem Eisberg nahm er an einem Kirchenliederabendteil, der „nicht der letzte sein sollte“, so ist es auf der Homepage des Klosters Scheyern zu lesen. Wenige Stunden später war Pater Joseph als Seelsorger gefragt – eine Aufgabe, die er nach Zeugenberichten im wahrsten Sinne bis zum bitteren Ende erfüllt hat.

Vermutlich hat Father Byles seinen deutschen Kollegen über das Unglück informiert. Der Brite war wohl an Deck, als das Schiff den Eisberg streifte. Noch war man nicht in Panik, galt das Schiff doch als unsinkbar. Was dann passierte, ist bekannt. Rettungsboote wurden zu Wasser gelassen und die beiden Priester sollen auf Bitten der Crew Frauen und Kinder dazu aufgefordert haben, in die Boote zu steigen.

“Der Benediktinerpater Joseph Peruschitz aus Scheyern und Pater Byles aus England waren, als die Katastrophe eintrat und Frauen und Kinder in die Boote geschafft wurden, sofort zur Hand, um allen, soweit es möglich war, zu helfen.” (Zeitschrift “America” New York 1912, www.kloster-scheyern.de)

“Seine Gebete fortsetzend begleitete er (einer der Priester) uns dorthin, wo die Rettungsboote hinabgelassen wurden. Als er den Frauen hinein half, flüsterte er ihnen die Worte des Trostes und der Zuversicht zu.” (Zeugenaussage von Miss Bertha Moran, www.kloster-scheyern.de)

Als offensichtlich wurde, dass das Schiff nicht zu retten sei, begannen Pater Joseph und Pater Byles mit den Menschen zu beten. Beide hatten es abgelehnt, in ein Rettungsboot zu steigen. Stattdessen wollten sie die Todesangst der Zurückbleibenden lindern:

“Als das letzte Boot hinabgelassen war, sahen die Insassen dieses Bootes ganz deutlich, wie die beiden Priester den Rosenkranz vorbeteten, und hörten, wie eine große Anzahl kniender Passagiere in inbrünstigen Gebeten antworteten. Dann erloschen die Lichter der Titanic, so dass man nicht mehr sehen konnte; aber man hörte weder Jammergeschrei noch Schreckensrufe.” (Zeitschrift “America” New York 1912, www.kloster-scheyern.de)

Um 2:20 Uhr ist die Titanic schließlich versunken – und mit ihr die beiden Geistlichen. Der Leichnam von Pater Joseph Peruschitz wurde nie geborgen, aber eine Tafel im Ostflügel des Kreuzgangs erinnert an den Verunglückten.