Mit Schnupftabak vom Lotzbeck hast Du den Rotz weg!

Nein, diese Flaschen stehen nicht im Deutschen Medizinhistorischen Museum in Ingolstadt sondern im dortigen Stadtmuseum. Darin befindet sich aber ein Produkt, das zunächst als Heilmittel in Apotheken verkauft wurde, bevor es zum Genussmittel „umdeklariert“ wurde: Tabak galt als Mittel gegen zahlreiche Krankheiten.

Die ursprüngliche Form des Tabakkonsums war das Schnupfen. Später kam der Kaubtabak in Mode und dann erst das Rauchen, erklärt Dr. Beatrix Schönewald, Leiterin des Ingolstädter Stadtmuseums. 1928 begann in Ingolstadt die Schnupftabak-Produktion in großem Stil: Josef Winter hatte die Schnupftabakfabrik Lotzbeck & Cie (gegründet 1774 im badischen Lahr) gekauft und ihren Standort von Augsburg nach Ingolstadt verlagert. „Für die Produktion standen zunächst angemietete Räume im ehem. Garnisonslazarett, der heutigen Flandernkaserne zur Verfügung. Im Jahre 1938 wurde die Fabrikation in dem inzwischen käuflich erworbenen Festungsbauwerk Kavalier Heydeck aufgenommen,“ schreibt der Historiker Kurt Scheuerer. Weiter heißt es: „Seit der Niederlassung in Ingolstadt bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges konnte das Unternehmen, das als das zweitälteste in Bayern galt, u.a. auch durch den Aufkauf anderer Schnupftabakfirmen sein Sortiment bis auf 107 Sorten erweitern. Den Schwerpunkt der Produktion bildeten jedoch nach wie die schwarzen Schnupftabake.“ Die Tabakstampfe, die bis zur Aufgabe der Firma 1977 in Ingolstadt zum Einsatz gekommen ist, kann man im Stadtmuseum bewundern. Sie stammt aus dem 19. Jahrhundert und war bereits in Augsburg in Betrieb. Die Funktionsweise wird im Museum wie folgt beschrieben:

Die Tabakstampfe im Ingolstädter Stadtmuseum

„Die Stampfe war in der Lage, durch Maschinenantrieb beim geringstmöglichen Einsatz menschlicher Arbeitskraft ein Höchstmaß an Produktivität zu liefern. Mit dieser Maschine, die durch mehrere Personen bedient wurde, kann exemplarisch der Übergang zum Maschinen- und Industriezeitalter aufgezeigt werden. Der Einsatz dieser Stampfe bis in unserer Zeit beruhte auch auf dem Vorteil, dass die Holztröge im Vergleich zu Mühlen aus Metall den aggressiven Stoffen des Stampfgutes gegenüber unempfindlich waren. Die Fermentierung der Tabakblätter erfolgte durch eine Salzbrühe. Auch die Gefahr des Verklebens der Messer durch den feuchten Tabak war weitgehende ausgeschaltet. Mit einem Holzstock wurde der Tabak immer wieder unter die Messer geschoben. Eine Partie Tabakblätter, die in einer Saison zu verarbeiten war, umfasste ca. 4000 – 5000 kg. Der Tabak wurde mit einem Holzwagen aus dem Fermentierkeller zur Stampfe gebracht und eingefühlt. Mit Hilfe eines leistungsfähigen Elektromotors wurden die Stampfbalken über Treibriemen durch die seitlichen Eisenflügel kurvenartig in Bewegung gesetzt und somit konnten die Tröge wechselweise gefüllt und entleert werden. Nach Erreichung der gewünschten Körnung wurde dir Tröge entleert, das Stampfgut gesiebt und die groben Bestandteile wieder zurückgefüllt. Der zerstampfte Tabak wurde als Halbfabrikat zur weiteren Ausfermentierung in Fässer gelagert und je nach Erfordernissen des Marktes unter Anwendung geheimer Mischrezepte zum Fertigprodukt Schnupftabak verarbeitet.“ Wie populär der Schnupftabak aus Ingolstadt war, zeigt ein folgender Spruch:

„Hast Du Schnupftabak vom Lotzbeck, hast Du den Rotz weg“

So lautete laut Beatrix Schönewald ein gängige Redensart. Die einzelnen Tabaksorten – auch Rauchtabake – wurden hübsch verpackt, mit Namen versehen wie „Brasil“, „Cardinal Nr. 1“, „Sevilla“, „Benediktiner“ oder auch „Mopstabak“. Man konnte den Tabak in der Packung oder der Flasche kaufen und entsprechende Werbeschilder machten auf das Genussmittel aufmerksam. Allerdings begann mit dem Aufkommen der Zigaretten der Niedergang der Schnupftabakindustrie und auch die Raucher griffen zunehmend zum „Fertigprodukt“. Mit dem Tod von Josef Winter 1977 endete deshaöb die Groß-Produktion in Ingolstadt. Die Stampfe und zahlreiche Tabaksorten sind nun ein Teil der Ingolstädter Stadtgeschichte und daher im Stadtmuseum zu bewundern.