Es gibt Menschen, die sind von seiner Existenz absolut überzeugt. Andere leugnen selbst den kleinsten historischen Verweis auf ihn: Der Goggolori ist eine sagenhafte Gestalt, die bis heute fasziniert. Die Musikpädagogin Sabine Maria Leitner aus Finning hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Legende um den Goggolori am Leben zu erhalten. „Die Finninger Kinder kennen ihn nicht mehr“, stellte sie beim Musikunterricht fest. In einem Buch hat sie deshalb die Legende vom Goggolori festgehalten.

Der Goggolori ist auch eine Bühnenfigur. Hier eine Szene aus der Inszenierung der baierischen Volksoper “Der Goggolori” von Michael Ende und Wilfried Hiller durch das Freie Landestheater Bayern. Foto: Alois Pribil/Freies Landestheater Bayern
Nehmen wir einmal an, es gibt ihn, diesen Goggolori. Dann ist er im Windachtal zuhause. Sein Wohnort ist eine Höhle unter einer von Schlehen umwachsenen Fliehburg zwischen Finning und Windach. Als Mitglied des Heimlichen Volks lebt er dort seit einer Ewigkeit und seit rund 400 Jahren gehört mit der Weberstochter Zeipoth auch ein Mensch zu dieser „legendären WG“. Wie die Zeipoth zur Gefährtin des Goggolori wurde, wie er ihr beim Spinnen half und sie trotz Verbot seinen Namen verriet (ja, da sind Ähnlichkeiten zum Rumpelstilzchen erkennbar), darum drehen sich die Legenden. Sie spielen während des Dreißigjährigen Kriegs, einer der unheilvollsten Epochen, die die Gegend je erlebt hat. Denn nicht nur Soldaten verwüsteten damals die Gegend, es herrschte wegen Missernten in der “kleinen Eiszeit” eine Hungersnot und auch die Pest entvölkerte das Land. Ein “guter Geist” – oder zumindest Geschichten über ihn – war also höchst willkommen. In den Legenden, deren Ursprung nicht genau geklärt ist, setzt sich die Sagengestalt mit Zauberkräften für die kleinen Leute ein und treibt dabei auch ihre Späße, indem das pfiffige “Erdmandl” zum Beispiel dem Hochzeiter in die Stiefel “seicht” (=pinkelt).

Der Goggolori warnt die Einwohner Finnings vor den Schweden. Zeichnung: Leontine Schmidt
Sabine Maria Leitner lebt in Finning (genauer: Unterfinning), exakt dort wo sich die Legende vom Goggolori zugetragen hat. Für ihr Buch “Es lebe der Goggolori – eine uralte Legende” hat sie sich mit zahlreichen Einwohnern des Ortes unterhalten, denen die Geschichten um den Waldgeist noch aus ihrer Kindheit bekannt waren. Ein Auslöser für ihr Interesse an dem Thema war auch das Buch „Der Goggolore“ von Hans Reuther aus dem Jahr 1935, in dem die Geschichte(n) um das sagenhafte Männlein erstmals schriftlich festgehalten worden. Sabine Maria Leitner hat es regelrecht verschlungen und zur Grundlage für ihre eigenen Nachforschungen gemacht. So beschreibt Otto Reuther darin drei alte Bäuerinnen (die Schnurr-Resl, Gertraud Klas und die Pumpauf-Kathl), die ihm die Goggolori Geschichten in seiner Kindheit erzählt hatten. Die Autorin nahm deshalb sogar Kontakt zur Erbengemeinschaft Reuthers auf, um mehr über die Hintergründe dieser Geschichten zu erfahren – allerdings war das Ergebnis für sie sehr enttäuschend: “Sie meinten, das wäre alles nur erfunden.” Doch Sabine Maria Leitner ließ nicht locker und fand heraus, dass es die Schnurr-Resl und die anderen beiden Frauen tatsächlich gegeben hat. Die Sagen und Legenden sind für sie über viele Generationen weiter gebeten worden und es sei auch nicht verwunderlich, dass der Goggolori ausgerechnet in ihrer Heimat wohl fühle: „Wenn man im Windachtal unterwegs ist, dann gibt es dort Orte, die sind beseelt. Man kann sich das nicht erklären.“ Ob es den goggolori nun wirklich gibt oder nicht – das mag jeder selbst entscheiden, aber: „Für mich ist der er ein guter Waldgeist. Er ist kein Kobold und schon gar kein Pumuckl. Für mein Leben hat er Segen gebracht.“ Davon ist Sabine Maria Leitner überzeugt.
Das Münchner Kindl – ein Goggolori?
Der Name Goggolori stammt möglicherweise vom lateinischen “Cucullus” (Träger einer Kukulle, also eines Kapuzenmantels, althochdeutsch: „gouggolon“). Es handelt sich also um ein Kapuzenmännlein. Ein Hutzelmännchen bzw. ein zwergenhafter Mönch war im Mittelalter auch das Wahrzeichen Münchens. Erst in den 1920 Jahren wurde aus dem Mönchlein ein Kindl. In verschiedenenVariationen (z.B. Goggolore oder Gaggalari) gibt es den Begriff an vielen Orten in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz. Legendäre zwergenhafte Kapuzenmännchen gab es schon in der Antike – und sogar der Gartenzwerg oder das Sandmännchen könnten zu sagenhaften Verwandtschaft des Goggolori gehören. Und weil „Goggolores“ den Unfug bezeichnet, den so ein Goggolori treibt, gehört auch der Begriff „Kokolores“ hierher.