Heute wäre er vermutlich ein Blogger, dieser Johann Pezzl. Und auf seinem Insta-Kanal würde er schicke Bilder veröffentlichen. Womöglich mit bissigen Kommentaren zu den Orten, an die er gereist ist. Seine „Reise durch den Baierischen Kreis“ ist allerdings weit vor der Erfindung des Internets, ja sogar der elektronischen Kommunikationswege erschienen. 1784 veröffentlichte er seine Berichte über den Besuch von Passau, Straubingen, Regensburg, Landshut, Freisingen, Augsburg, München, Burghausen, Salzburg und Ingolstadt. Und man muss es so offen sagen: Die Schanz kommt nicht gut dabei weg.
Gleich zu Beginn seiner Beschreibung Ingolstadts beklagt er den Verfall der Festungsanlagen. Und als Schanzer bezeichnet er jene Männer, die an diesen Anlagen arbeiten müssen: „Diese bestehen aus unglücklichen Soldaten, welche wegen einer vorgenommenen Desertion oder irgend einem anderen Verbrechen 6, 10, oder auch mehrere Jahre nach Ingolstadt kondemniert werden, um bei Wasser und Brot, und in Eisen und Banden große Lasten zu ziehen, oder andere Arbeiten beim Fortificationsbau zu verrichten. Nichts ist trauriger als ein Troupp solcher Schanzer oder vielmehr solcher lebender Skeletons an einen schweren Wagen gespannt durch die Stadt ziehen zu sehen.“

In der Hohen Schule befand sich einst die erste bayerische Landesuniversität.
Den Schwerpunkt seiner Abhandlung widmet Johann Pezzl aber der Universität. Und da nimmt er kein Blatt vor den Mund – von den Ingolstädtern würde er heute dafür sicherlich einen ordentlichen „Shitstorm“ kassieren. Die Professoren seien geschickte und fleißige Männer, aber:
„Der Hauptfehler steckt darinn, daß die Universität in Ingolstadt liegt.“
Weiter heißt es: „Der Ort ist klein, arm, nicht sehr gesund; ist ohne Hof, ohne Noblesse, ohne Theater, sogar ohne Buchhandlung.“ Oha. Er berichtet von regelmäßigen Schlägereien zwischen Studenten und Offizieren (manchmal haben sich auch die Professoren geprügelt) sowie dem Fehlen von Kultur, Adel und feiner Gesellschaft. So bliebe den Studenten nur die Trinkstube, um Zerstreuung zu finden – lärmende Ausschweifungen inklusive. Die Konsequenz: Wer nicht muss, der studiert nicht in Ingolstadt. Zwar hätten sich die Sitten der Studenten zuletzt verbessert, aber die „allgemeine Liebe zur Litteratur“ sei immer noch nicht aufgewacht. Und man komme in Ingolstadt allzu leicht an akademische Abschlüsse. Er beschreibt etliche Professoren aus unterschiedlichen Fakultäten und kommt zu dem Schluss: „Das einzige Mittel dieser Universität zu dem Glanz zu verhelfen, dessen sie ihrer Stiftung nach fähig wäre, ist, sie an einen anderen Ort zu verlegen.“ Landshut und vor allem München sei als neuer Standort geeignet. Allerdings würde die Ingolstädter Bevölkerung über so eine Verlegung verzweifeln. „Vielleicht ließe sich für die bedrängte Stadt ein anderer Nahrungszweig auffinden; und wenn auch nicht, muß man die Pflanzschule der ganzen Nation der Zunft einiger Handwerker aufopfern?“

Scherenschnitt von Johann Pezzl (wikimedia.commons)
Kurz nach Erscheinung des Buchs „Reise durch den Baierischen Kreis“ ist die Bayerische Landesuniversität tatsächlich verlegt worden. Im Jahr 1800 „wanderte“ sie zunächst nach Landshut, dann 1826 nach München, wo sie bis heute existiert, Ludwig-Maximilians-Universität heißt und sich größter Beliebtheit bei Studenten und Professoren erfreut. Wie das mit Reiseschriftstellern aussieht, ist nicht bekannt.
Johann Pezzl, der 1756 in Mallersdorf geboren wurde, lebte ab 1784 in Wien und starb dort 1823. Der Schriftsteller und Bibliothekar war Freimaurer und hatte Kontakt zu den Illuminaten. Und wenn man in Wien durch die Pezzlgasse schlendert, weiß man nun, wem sie ihren Namen zu verdanken hat. In Ingolstadt hätte er nach seinem Reisebericht diese Ehre vermutlich nicht verdient.