Das Kreuztor ist eines der Wahrzeichen Ingolstadts. Und ausgerechnet ganz oben auf der Spitze prangt ein Halbmond – einen Katzensprung vom Liebfrauenmünster entfernt. Provokation? Erinnerungsstück? Versehen?
Ja, es ist ein Halbmond, da oben. Aber es ist kein Zeichen des Islam. Dieser Mond ist schlichtweg das, was er ist. Ein Mond. Und er ist das Überbleibsel einer Wetterfahne, die sich über die Jahrhunderte in unterschiedlichsten Variationen auf dem 1385 erbauten Tor befand. „Es war wichtig zu wissen, woher die Winde kommen – für das Bestimmen des Wetters, für das Heizen und im Fall einer Feuersbrunst,“ erklärt Dr. Beatrix Schönewald, Leiterin des Ingolstädter Stadtmuseums. Zudem sollte so eine Wetterfahne an einem wichtigen Ort (es ist auch eine Wetterfahne am Schloss überliefert) durchaus etwas her machen, weshalb sie mit unterschiedlichen Symbolen ausgestattet wurde.
Zunächst hatte man auf der Spitze des Kreuztores wohl eine Kugel angebracht, die dann in eine Fahne umgewandelt worden war. Im 16. bis ins 18. Jahrhundert sieht man auf Darstellungen eher einen Pfeil: „Dann entdeckt man im 19. Jahrhundert die Sonne und den Mond“, so Dr. Schönewald. Die Sonne ist allerdings wieder verloren gegangen – vermutlich Anfang des 20. Jahrhunderts. In den 1960er Jahren wurde eine neue, schlankere Mondsichel angebracht, die in ihrer heutigen Form alle möglichen Interpretationsmöglichkeiten erlaubt, weil sie eben einem islamischen Symbol gleicht.

Das Schröpler-Gemälde im Stadtmuseum
Ein Halbmond, der Islam und Ingolstadt – aus der Historie heraus gab es da immer wieder Ereignisse, die sich wunderbar in dieses Symbol haben hineininterpretieren lassen. Befindet sich nicht die Lepanto-Monstranz, die den Sieg der Heiligen Liga über die Osmanen glorifiziert, ganz in der Nähe in der Asamkirche Maria de Victoria? Und was war da mit jenen Kriegsgefangenen, die „Turkos“ genannt wurden und die in einem Gemälde von Gustav Schröpler im Jahr 1870 verewigt wurden? Auf dem Ölbild, das heute im Stadtmuseum zu finden ist, ist auch das Kreuztor dargestellt. Und an seiner Spitze sieht man noch ein komplettes Sonne-Mond-Ensemble, das obwohl es auf dem Bild um Aufsehen erregende Fremde geht, so gar nicht nach einem Symbol des Islam aussieht. „Es ist auch ein Stück Ideengeschichte,“ meint Dr. Schönewald mit Blick auf die Kreuztor-Spitze, „man hat vor 200 Jahren etwas anderes damit assoziiert als heute.“