Geheim? Nein! Aber verschwiegen…

Diese Briten. Sie brachten dem europäischen Kontinent das Fußballspiel, Charles Darwin und seine Evolutionstheorie, das Telefon und die Konservendose. Außerdem wurde in London vor genau 300 Jahren die erste Freimaurerloge gegründet. Und die Idee der Freimaurerei war ein echter Exportschlager – auch in Bayern.

Auf den ersten Blick scheinen sie ein wenig aus der Zeit gefallen, die Herren mit Zylinder, Frack und Abzeichen. Sie sprechen von einem „Tempel“ als ihrem Versammlungsort und erkennen einander an bestimmten Zeichen. Das funktioniert in Skandinavien genauso wie in Südamerika. Und auch in Ingolstadt, im Herzen Bayerns, treffen sich regelmäßig Freimaurer zur „Tempelarbeit“, sie gehören der Loge „Theodor zur Festen Burg“ an und ihr „Hauptquartier“ befindet sich im Tor Heydeck, das einst zum gleichnamigen Festungsbau in Ingolstadt gehörte.

Eigentlich ist die Ingolstädter Freimaurer-Loge (die wiederum innerhalb der „Großloge der Alten Freimaurer und Angenommenen Maurer von Deutschland“ A.F.u.A.M.v.D. organisiert ist) ein Import, denn sie wurde im Jahr 1804 von Carl Theodor Graf zu Pappenheim ebendort gegründet. Nach einer zwischenzeitlichen Auflösung der Loge und der anschließenden Wiederbelebung durch einen anderen Pappenheimer (nämlich Maximilian Graf zu Pappenheim) wurde die „Bauhütte“ 1996 nach Ingolstadt verlegt. Seit dem Jahr 2000 ist das Tor Heydeck das Zuhause der Herren (Frauen sind nicht zugelassen), die aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen stammen und auch hinsichtlich ihres Alters mehrere Generationen abdecken. Was sie eint, ist das Streben nach einem besseren, einem moralisch guten Ich, einem toleranten Umgang miteinander, einer vorurteilsfreien Sicht der Dinge. Die Freimaurerei – eine Religion, eine Sekte? „In keinster Weise“, erklärt Christian Wölfl, „es ist eine sittliche Lebenshaltung.“

Mitglieder der Freimaurerloge „Theodor zur Festen Burg“ in Ingolstadt v.l.n.r: Georg Ott, Simon Paleduhn, Jürgen Zollenkop, Jürgen Beyer, Alexander Sedlmayr, John Oéhm, Hans Schaller, Christian Wölfl, Dr. Dr. Christoph Hiendl, Albrecht Heuer, Dirk Skirde, Stephan Boos

Die Grundgedanken der Französischen Revolution, also Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, leben in der Freimaurerei weiter. Doch ist Gedankengut, das 250 Jahre und mehr auf dem Buckel hat, noch zeitgemäß im Zeitalter von Social Media und Globalisierung? Auf jeden Fall, meinen die Brüder der Ingolstädter Loge. Gerade in unserer Ellenbogengesellschaft können die Freimaurer eine Vorbildfunktion einnehmen: „Wenn überall so viel Toleranz herrschen würde wie bei uns, könnte jeder in Frieden leben“, erklären die Ingolstädter Logenmitglieder. Und doch: Bei all den ehrenwerten Zielen umweht die Freimaurer seit ihrer Gründung der Hauch des Geheimnisvollen, ja des Aufrührerischen. Das hängt natürlich mit den für frühere Zeiten revolutionären Gedanken zusammen, etwa von der Gleichheit aller Menschen (ein freimaurerisches Ideal, das z. B. in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung seinen Niederschlag findet). Bis heute aber bleibt ein gewisses „Rest-Rätsel“, denn was genau bei einer Versammlung im Tempel passiert, das wissen nur diejenigen, die dabei sind. Das Wort geheim sei im früheren Sinne von zu Hause, also daheim, zu verstehen. Man erzählt nicht öffentlich, was Zuhause passiert. Verschwiegenheit ist oberstes Gebot: „Wir sprechen davon, dass wir uns hier im Templum üben, um dann im Profanum zu bestehen“, so Christian Wölfl. „Wir alle arbeiten am rauen Stein, sind nicht vollkommen und sehen uns nicht als etwas Besseres“, ergänzt Jürgen Zollenkop.

Christian Wölfl (Musikmeister), Jürgen Beyer (Zeremonienmeister) und Albrecht Heuer (Bibliothekar) mit ihren Zunftzeichen.

Sinnbildlich für die Freimaurerei steht der salomonische Tempel, den die mittelalterlichen Steinmetze und Dombaumeister als Vorbild wählten. Dass die Freimaurerei ihren Ursprung in den Dombauhütten des mittelalterlichen Europas hat, erkennt man noch heute sehr gut. Die Symbole, die Titel der Brüder und die Struktur einer Loge ähneln denen einer Handwerkszunft. Der freimaurerische Bildungsweg ist in die Etappen Lehrling, Geselle und Meister eingeteilt, bedeutende Symbole der Freimaurerei sind Zirkel und Winkel. Bei der Tempelarbeit steht der Meister vom Stuhl den Brüdern vor, dazu gibt es verschiedene „Ritualbeamte“, etwa den ersten und zweiten Aufseher, den Musikmeister, den Redner oder den Zeremonienmeister. In Bayern gibt es derzeit etwa 2000 Freimaurer, die in 45 Logen organisiert sind, die sich unter anderem in Ansbach, Augsburg, Schweinfurt, Hof, Erlangen, Ingolstadt, Nürnberg, München, Bamberg, Kempten, Regensburg oder Aschaffenburg befinden. Die Großloge “Zur Sonne” in Bayreuth wurde 1741 als erste Loge auf dem Gebiet des heutigen Bayern durch Markgraf Friedrich von Brandenburg-Bayreuth als Schloßloge gegründet. 1744 erklärte sich die Schloßloge zur Mutterloge und begann ab 1757 mit Gründungen von Tochterlogen zu Ansbach und Erlangen. „Mitte des 18. Jahrhunderts schießen die Logen aus dem Boden“, so der BR Kulturredakteur Gerald Huber, der sich mit der Geschichte der Freimaurer in Bayern befasst hat. Doch dieses Jahrhundert geht nicht gerade „freimaurerfreundlich“ zu Ende: „In Bayern herrschte der Pfälzer Wittelsbacher Karl Theodor, der München und Bayern genau sowenig liebte wie die Münchner und Bayern ihn. Karl Theodor wollte Ruhe um´s Haus. Obskure Aufklärer- und Umstürzlerversammlungen konnte er bei seinen politischen Plänen nicht brauchen.“ Zusammen mit dem Geheimbund der Illumninaten wurden auch die Freimaurer verboten. Aus dieser zeit kommt wohl auch das „revolutionäre, umstürzlerische“ Image, das den Freimaurern bis heute anhaftet. Erst 1873 wurde in München wieder eine Loge („Zur Kette“) gegründet. Mit dem Anschluss Bayerns an das zweite Kaiserreich unter Wilhelm I. (preußisch-deutscher Kaiser und praktizierender Freimaurer) ging es auch mit der Freimaurerei wieder bergauf, bis die Nationalsozialisten alle Logen auflösen ließen. Nach dem zweiten Weltkrieg war es dann wieder möglich, Logen zu gründen bzw. wieder zu beleben. Und das nach den alten Riten, die schon vor über 250 Jahren gepflegt wurden.

Und so analysiert der Theologe Matthias Pöhlmann in seinem Buch über die Freimaurer:

„Die eigentümliche Spannung zwischen Geheimnis und Öffentlichkeit bleibt in der Freimaurerei nach wie vor bestehen. Freimaurer bleiben verschwiegene Männer. Sie schätzen die Tugend der Verschwiegenheit, die sie wiederum in einer Loge für unverzichtbar halten. Die Freimaurerei wird nicht zuletzt wegen ihres großen Traditionsbewusstseins und ihrer hohen Verbindlichkeit in Zeiten von Individualisierung und Traditionsverlust weiterhin sperrig sein – und es wohl auch bleiben. Vielleicht ist gerade das eines ihrer Geheimnisse.“

Informationen zu den Freimaurern und eine Auflistung von Logen in Bayern finden Sie auf der Website der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland: www.afuamvd.de

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