Sonne, Mond und Sterne glitzern auf dieser prachtvollen Reitgarnitur. Man kann sich bildlich vorstellen, wie der mächtige Herrscher aus dem Orient der Parade voran reitet. Aber Halt! Es saß ein bayerischer Herrscher auf dem Prunksattel. Und den Orient hatte die 400 Jahre alte Reitgarnitur nie gesehen.
Das prunkvolle Ensemble aus Zaumzeug, Satteldecke und Pallasch (ein Schwert mit einer zweischneidigen Klinge) ist der neue Star im Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt. Kunstvolle Beschläge in Form von Sonnen, Monden und Sternen aus feuervergoldetem Silberblech zieren Sattel und Satteldecke, dazu kommen Blumenranken aus Emaille, unzählige bunte Steine und Blumenstickereien. Auch Steigbügel und Zaumzeug (inkl. Prächtigem Kopfschmuck) funkeln und glitzern vor lauter Applikationen. Ein eigener Raum und ein eigens dafür „geschreinertes“ Holzpferd sorgen für eine standesgemäße, museale Präsentation.
„Die Reitgarnitur wurde bis in die 1970er und 80er Jahre immer als Türkenbeute Max Emanuels ausgestellt, auch in großen Ausstellungen. Man liest in Katalogen, dass sie vielleicht aus Siebenbürgen stammt oder in Belgrad hergestellt wurde. Aber man merkt, dass die Wissenschaftler komplett unsicher waren und man nicht wusste, was man damit machen solle,“ erklärt Dr. des. Priscilla Pfannmüller, die sich jahrelang intensiv mit der Reitgarnitur befasste und die Ausstallung im Armeemuseum zusammen mit kuratiert hat. Vor fast zehn Jahren ist sie während ihrer Arbeit im Marstallmuseum in München zufällig darauf gestoßen. Während einer Bestandsinventur kam in einer großen Kiste auf einmal sehr viel „Blingbling“ zum Vorschein. Die junge Wissenschaftlerin wusste nicht, was sie da vor sich hatte und stürzte sich in die Recherche. Ein Freund, der in Ingolstadt einen Sattel gesehen hatte, der offenbar zu dem Münchner „Fundstück“ passte, brachte sie auf die richtige Spur. Schließlich wurden die Objekte aus München (aus Marstallmuseum und Nationalmuseum) mit dem in Ingolstadt befindlichen Sattel vereint und ergeben nun endlich eine fast komplette Reitgarnitur – hunderte Jahre später.
Und wer war nun der Auftraggeber? Die Prunkgarnitur wurde höchstwahrscheinlich für den bayerischen Kurfürsten Maximilian I. angefertigt (er starb 1651 in Ingolstadt: https://seltsammelsurium.de/ein-engel-mit-einem-geheimnis-fuer-eingeweiht-de/). Der „Look“ sollte der Mode entsprechend orientalisch anmuten und sich an der von Maximilian hoch geschätzten osmanischen Kunst orientieren, erklärt Priscilla Pfannmüller: „Auch wenn wir in der Zeit der Türkenkriege sind, schätzt man die Prachtentfaltung der Osmanen. Aber im Vergleich mit richtigen Istanbuler Objekten um 1600 sieht man, dass das nichts miteinander zu tun hat.“ Lange war unklar, wer denn nun dieses Prunkstück überhaupt angefertigt hat. In Dresden gab es eine Notiz, nach der es ein gewisser Johann Michael war, der die Garnitur in Prag herstellte. Aber sein Name tauchte nirgends auf – auch nicht in Prag, wo die Geschichte der Goldschmiedekunst laut Pfannmüller bestens erforscht ist. Erst die aktuellen Forschungen zur Präsentation der Reitgarnitur im Armeemuseum haben ergeben, dass es jenen Johann Michael doch gegeben hat, er eine große Goldschmiede betrieb und sogar Subunternehmer anstellte, die für ihn einzelne Teile produzierten. „Aber auch hier müssen wir noch viel erforschen“, betont die Wissenschaftlerin.
Die Geschichte der Prunkgarnitur wird also weiter geschrieben. Zu besichtigen ist sie im Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt. Mehr: www.armeemuseum.de