Er war der „Seltsammler“ schlechthin, jener Pater Ferdinand Orban, der in Ingolstadt einst Kostbarkeiten und Kuriositäten zusammen trug. Für seine Wunderkammer wurde um 1727 das Gebäude gebaut, das den Orbansaal beheimatet.
Ferdinand Orban war ein Jesuit. Und diese Jesuiten waren sehr oft nicht nur Geistliche, sondern auch Wissenschaftler, Forscher und Gelehrte. Von der Astrologie über die Botanik bis zu Mathematik und Sprachwissenschaften – die Jesuiten wollten´s wissen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass einige dieser wissbegierigen Ordensbrüder auch alles sammelten, was aus ihrer Sicht interessant und der Weiterbildung nützlich erschien. Pater Orban war so ein begeisterter Sammler. Geboren 1655 in Exing bei Landshut hat er von 1675 bis 1678 Logik und Metaphysik und später Theologie in Ingolstadt am Jesuitenkolleg studiert. 1688 zog er nach Innsbruck, wo er als Professor Mathematik lehrte und auch als Hofprediger wirkte. In dieser Zeit muss er auch mit seinen Sammeltätigkeiten begonnen haben. Burghausen, Landshut, Düsseldorf und erneut Landshut waren seine weiteren Stationen, bis er schließlich 1722 nach Ingolstadt versetzt wurde. Zu dieser Zeit hatte er bereits eine große Menge an Kunstwerken und Naturalien zusammen getragen, für die nun in Ingolstadt eine adäquate „Unterkunft“ gebraucht wurde.

Gemälde des Jesuitenkollegs im Stadtmuseum Ingolstadt
3500 Gulden investierte das Jesuitenkolleg in Ingolstadt in einen Neubau direkt am Canisius Konvikt im Garten des Kollegs. Der lange Saal mit seinen Fenstern war dazu angelegt, die unzähligen Objekte zu beherbergen und zu präsentieren. Mit einem modernen Museum kann man dieses Wunderkammer nicht vergleichen, aber es muss ein spektakulärer Anblick gewesen sein. So viel Exotisches in einem Raum: Textilien, Waffen, Münzen, Kleinplastiken, Steinschnitte, Gemälde, Mineralien, Muscheln, Insekten, ein Teil der Türkenbeute aus Wien von 1683 und und und. Und an den vier Ecken des Saals sollten in Form von Gemälden die großen Jesuiten Christoph Clavius, Athanasius Kircher, Christoph Scheiner und Johannes Baptist Cysat (diese Gemälde sind übrigens heute im Stadtmuseum Ingolstadt zu sehen, die Dekoration des Saals ist nicht vollendet worden).

Christoph Scheiner Gemälde im Stadtmuseum Ingolstadt
Im Jahr 1731 besuchte der Reiseschriftsteller und Archäologe Johann Georg Keyßler die Sammlung in Ingolstadt und schreibt:
Nebst der Bibliothec besiehet man des P. Urban Sammlung von Curiositäten, vor welche ein besonderer grosser und ansehnlicher Saal gebaut ist. Sie bestehen aus mancherley ausländischen Rüstungen, Trachten, Hausrath, Antiquitäten, Manuscripten und Thieren: Gemälden, Muscheln, Opticis und andern mathematischen Dingen, welche jedoch meistentheils unordentlich untereinander liegen, theils weil der P. Urban aus Verdruß sich wenig mehr darum bekümmert, und die übrigen hier befindlichen Jesuiten wenig davon verstehen, theils weil diese aus Hass gegen den Pater Urban, den sie, wann sie auch am glimpflichsten reden, dennoch allezeit einen wunderlichen eigensinnigen Mann nennen, alle diese Dinge als verächtliche Bagatellen tractiren. Der Hertzog von Marleborough hat in dieses Cabinett ein Stück einer Hirnschale von der Größe einer Hand geschencket, und zwar unter dem Titul, dass solches von dem berühmten Cromwel sey, dessen Cörper der Pöbel nach wieder hergestellter Königlichen Regierung ausgegraben und durch die Stadt London geschleppet hätte …
Der berühmte „Cromwel“. Ja, Sie haben richtig gelesen. Pater Orban war der langjährige Beichtvater des Kurfürsten Johann Wilhelm in Düsseldorf. Und aus dieser Zeit stammt eines der skurrilsten Objekte seiner Sammlung: Die Hirnschale von Oliver Cromwell! (Der Geschichte dieses morbiden Ausstellungsstücks wird das Seltsammelsurium ein eigenes Kapitel widmen).
Ferdinand Orban brachte seine Sammlung nicht nur Ruhm, sondern auch Ärger ein. Auch das ist in Keyßlers Bericht angedeutet. Immer wieder gab es Ärger mit der Ordensleitung. Ferdinand Orban scheint durchaus seinen eigenen Kopf gehabt zu haben. Außerdem wurde ihm angesichts seiner Wunderkammer auch „mangelnde Armut“ vorgeworfen. Am 30. Dezember 1732 stirbt Ferdinand Orban in Ingolstadt. 1773 wird der Jesuitenorden aufgelöst und die Sammlung geht in den Besitz der Bayerischen Landesuniversität in Ingolstadt über. 1800 wird die Univesität nach Landshut verlegt, dann 1826 nach München. Orbans „Schatz“ bildet damit den Grundstock der wissenschaftlichen Sammlungen der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität (LMU). Etliches ist allerdings auch verloren gegangen, einige Objekte sind außerdem im Museum “Fünf Kontinente” in München zu sehen und wenige Ausstellungsstücke haben in einer Vitrine im Ingolstädter Stadtmuseum ihre Platz gefunden.

“Exotisches” Essbesteck und Geschirr aus der Orban Sammlug in der Vitrine im Ingolstädter Stadtmuseum