Ein „Lost Place“ mit hoher Biodiversität

Was von weitem wie ein verlassener Hof aussieht, entpuppt sich aus der Nähe als eigenartiges Gebäudeensemble. In dem leerstehenden Haus im heutigen Naturschutzgebiet Kreut hat niemals ein Mensch gewohnt. Heute bevölkern es Fledermäuse und Vögel.

Wer durch das Naturschutzgebiet Kreut (Landkreis Neuburg-Schrobenhausen) wandert, der sollte ganz genau hinsehen. Nicht nur, weil es hier 17 vom Aussterben bedrohte und 31 gefährdete Tier- und Pflanzenarten gibt. Hier begegnet einem auch Zeitgeschichte. Auf Schritt und Tritt. Plötzlich taucht dort ein massives Gebäude auf, das offensichtlich nicht bewohnt ist und mit seiner recht bulligen Optik und den Graffiti an den Wänden zu einem klassischen „Lost Place“ taugt. Was hier so Instagram kompatibel daher kommt, war einst ein Übungsgebäude der Bundeswehr. Und was heute ein Naturschutzgebiet ist, war bis vor nicht allzu langer Zeit ein Truppenübungsplatz. Die betonierten Weg-Kreuzungen, die sicherlich nicht für schwer bepackte Wanderer angelegt wurden, sind ein Hinweis auf diese militärische Vergangenheit des Geländes, das sich über 181 Hektar erstreckt. Gerade diese Nutzung durch die Bundeswehr hat dafür gesorgt, dass hier Tier- und Pflanzenarten überlebten, die anderswo verschwunden sind.

Vom Weiler zum Wohnort für Turmfalken

Schon im 13. Jahrhundert war dieser Ort von Menschen bewohnt. Der Name „Kreut“ soll von dem Begriff „geruite“ für Rodung her leiten. Es war kein großer Ort, der hier über Jahrhunderte bestand, sondern ein Weiler, der zuletzt 178 Menschen beherbergte. 1959 wurde hier zwischen Neuburg und Oberhausen der Truppenübungsplatz für die Tilly-Kaserne angelegt, wofür der Weiler nach und nach bis 1961 abgesiedelt werden musste (nur der Friedhof blieb erhalten – dazu mehr in einer eigenen Folge des Seltsammelsuriums). Die einzelnen Gebäude nutze man zunächst noch zu Übungszwecken, 1970 wurde das letzte historische Haus abgebrochen.

Das, was heute an der Stelle des ehemaligen Weilers steht, sind Gebäude aus dem Jahr 1988, die den Soldaten für die Simulation eines Häuserkampfs zur Verfügung standen. Im Jahr 2000 schließlich ist aus dem Truppenübungsplatz ein Naturschutzgebiet geworden. Die Häuser wurden aber nicht abgebrochen, sondern umfunktioniert: „In den Übungshäusern wurden daher im oberen Stock Sommer-Hangplätze für Fledermäuse und ein Brutplatz für Turmfalken und Schleiereulen eingerichtet. Auch die Keller können von Fledermäusen als Winterquartier genutzt werden“, heißt es auf der Infotafel vor Ort. Fenster und Türen des Hauses sind deshalb auch vermauert worden, denn die Tiere sollten hier möglichst ungestört sein.

Für die Wanderer, Radfahrer und potentielle „Instagrammer“ im Naturschutzgebiet gilt daher auch: Staunen, Fotografieren und die Natur genießen, ja – aber bitte auf den Wegen bleiben und die Verbotsschilder beachten.