Eichstätt, Ravenna und verschollene Papst-Gebeine

Foto: Wilfred Krause / Wiki Commons

Man stelle sich das einmal vor: Ein Papstgrab im Dom zu Eichstätt. Wer weiß, welche Pilgerscharen es angezogen hätte und vielleicht immer noch würde. Und um ein Haar wäre es auch soweit gekommen. Aber jenen Papst und seine Gebeine ereilte dasselbe Schicksal: sie sind im Lauf der Geschichte irgendwie verloren gegangen.

Um wen geht es? Papst Viktor II. wurde am 16. April 1055 im Petersdom in Rom als Stellvertreter Christi eingesetzt. Und das obwohl er das gar nicht wollte. Vor seiner Wahl zum Papst war Gebhard I. Graf von Dollnstein-Hirschberg nämlich Bischof von Eichstätt und wollte das auch bleiben. Nach langer Bedenkzeit sagte er Kaiser Heinrich III., der diese Wahl zum Papst begrüßte, schließlich zu – aber nur unter der Bedingung, weiterhin Bischof von Eichstätt bleiben zu dürfen.

Papst Victor II, 1055-1057, Portraitmedaillon in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern, Rom (19. Jahrhundert)

Viktor II. muss um die 35 Jahre jung gewesen sein (sein genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt), als er das höchste Amt der Christenheit gewählt worden war. Damit war er erst der zweite Kirchenmann aus dem Gebiet des heutigen Bayern, dem diese Ehre zuteil wurde. Der erste „bayerische Papst“ war Clemens II. (1046 bis 1047), Bischof von Bamberg. Und auch dieser hatte darauf bestanden, weiterhin Bischof bleiben zu dürfen, weshalb ihm das „gelungen“ war, was Viktor verwehrt blieb: Ein Grab in der Heimat. Seine letzte Ruhe fand er im Bamberger Dom, der damit über das einzige Papstgrab nördlich der Alpen verfügt.

Wie angedeutet, wäre in Eichstätt beinahe das zweite transalpine Papstgrab errichtet worden. Bereits 1057 ist Viktor II. plötzlich während einer Synode in Arezzo verstorben. Es war kein Mordanschlag, dem er zum Opfer fiel, auch wenn er laut vaticanhistory.de Drohungen erhalten haben soll. Auf der Webseite heißt es:

So berichtet uns der Chronist Bernold von Konstanz (auch von St. Blasien, 1050-1100) in seinem bis zum 30.08.1100 reichenden „Chronicon”: „Der Subdiakon goss Gift in den Kelch, der für den Papst bestimmt war. Als Victor nach der Weihe den Kelch emporheben wollte, gelang ihm dies nicht. Um Gott zu fragen, was der Grund dafür sei, legte er sich gefolgt von den Gläubigen auf den Boden, um zu beten. Da wurde der Giftmischer von einem bösen Geist befallen und der Grund war klar.”

Fest steht: Eine fiebrige Krankheit, eventuell Malaria, raffte in der Sommerhitze den Papst dahin, der durch viele Reisen sowieso ein äußerst anstrengendes Leben führte – aber ein untadeliges. „Persönlich war Viktor II. ein unbescholtener und integerer Mann. Untadeliger Lebenswandel und uneingeschränkte Treue zur Kirche hatten ihn schon als Priester und Bischof gekennzeichnet. Der Anonymus von Herrieden rühmt Gebhards vorbildhafte Tugendhaftigkeit und das große Wissen, das ihn in geistlichen und weltlichen Dingen gegenüber anderen Reichsfürsten auszeichnete.“ Das schreibt Stefan Killermann in seiner Lebensbeschreibung über Papst Viktor in der Biografie-Sammlung „Im Glanz des Heiligen“, in der Heilige, Selige und verehrungswürdige Personen aus dem Bistum Eichstätt beschrieben werden.

Der verstorbene Papst sollte nun in Eichstätt bestattet werden, weshalb seine Anhänger die Überführung der Gebeine von Arezzo nach Bayern in Angriff nahmen. Doch in Ravenna „wurde der Leichnam als kostbarer Schatz durch eine List geraubt“, so Killermann. Die Einwohner der italienischen Stadt betteten den Papst in der Nekropole, die zur Kirche Santa Maria Rotonda gehörte zur – vermeintlich – letzten Ruhe. Die Kirche war ursprünglich als Mausoleum für den Ostgoten-König Theoderich gebaut worden und das markante Bauwerk steht noch heute. Der Anonymus von Herrieden ist dazu die einzige Quelle, in der vom päpstlichen Leichenraub berichtet wird:

„Huius uenerabile corpus cum nostrates ad Eystatensem toparchiam perducere uellent, in uia per dolum a Rauennatibus inhumanissime spoliati sunt et, sepulto tam glorioso papa foras muros Rauennatis urbis in basilica sancte Marie, ad similitudinem Romane Pantheon formata, piissimo desolati domino summa onerati tristitia repatriare contendunt.

„Als die Unsrigen seinen ehrwürdigen Leichnam zum Eichstätter Bischofssitz überführen wollten, wurden sie unterwegs durch eine List von den Bewohnern Ravennas auf menschenunwürdige Weise beraubt, und nachdem der so ruhmvolle Papst vor den Mauern der Stadt Ravenna in der Kirche der heiligen Maria, einer Nachahmung des römischen Pantheons, bestattet worden war, suchten sie, verlassen von ihrem lieben Herrn und von tiefer Trauer bedrückt, eiligst in die Heimat zurückzugelangen.“ (Quelle: vaticanhistory.de)

Heute ist die mögliche Grablege Viktors nicht mehr auszumachen. In späteren Jahren wurden Mausoleum und Nekropole geplündert, die sterblichen Überreste des Papstes sind seitdem verschollen.

Das Andenken an den einzigen Eichstätter Papst und einen von nur drei bayerischen Päpsten (der dritte war zuletzt Joseph Ratzinger, Benedikt XVI.) fällt spärlich aus. In Eichstätt und Dollnstein ist eine Straße nach ihm benannt, im Eichstätter Dom erinnern eine Inschrift (Bild links) oberhalb des Chorbogens und ein Denkmal an Viktor II.