Dort wo sich jetzt im Pfaffenhofener InterKulturGarten die Menschen treffen, waren bis in die 1990er Jahre bewaffnete Wachmannschaften mit Schäferhunden patrouilliert. Sichtbare Überbleibsel aus dieser Zeit sind neben dem Verwaltungsgebäude ein Zaun mit Stacheldraht oder auch das Zugangstor mit Dornen. Auf den zweiten Blick entpuppen sich aber auch die vermeintlichen „Gartenschuppen“ oder möglichen Zisternen als Teile einer Anlage, die sich unter den Grünflächen, Sitzgruppen und Beeten befindet. Ja selbst die Obstbäume, die hier gepflanzt wurden, hatten eine besondere Funktion: „Es war ein Problem, dass man die Anlage von oben gesehen hatte. Man hat deshalb bewusst Bäume und Obstbäume gepflanzt, damit man es bei Luftaufnahmen nicht als militärische Anlage erkennt,“ erklärt der Pfaffenhofener Kulturhistoriker, Stadtführer und „Bunker-Kenner“ Frieder Leipold. Im Übrigen ist auch der Schornstein an der Garage ein Täuschungsmanöver. Dieser Kontakt zur Außenwelt diente der Be- und Entlüftung des Notstromaggregats in dem Bunker, der sich unter dem InterKulturGarten befindet. Ja, richtig. Hier befindet sich ein ehemaliger Fernmeldebunker aus der Zeit des Kalten Krieges.
Ist die Luft rein?
Vor dem Betreten des unterirdischen Komplexes der Grundnetzschalt- und Vermittlungsstelle der Bundeswehr (GSVBw66) packt Frieder Leipold ein Messgerät aus. Es misst den Gehalt bestimmter Gase in der Luft – der Einsatz des Geräts ist bei Führungen Vorschrift und macht einem bewusst, um was hier im schlimmsten Fall auch ging. Nämlich ums Überleben. Der Fernmeldebunker mit seinen 48 Räumen war als luftdicht verschließbare Atomschutzanlage angelegt: „Zum Glück ist unser Bunker für einen Atomschutzbunker recht zivil. Es war kein Zivilschutz- oder Fluchtbunker, sondern eine Fernmeldestelle der Bundeswehr, die von 1966 bis 1997 permanent in Betrieb war. 24 Stunden am Tag haben Leute hier gearbeitet. Es war quasi ein Büro unter der Erde.“ Ein sehr kühles im Übrigen: Es hat dort nur 14 Grad. Überhaupt: Das Arbeitsklima in diesem unterirdischen Büro richtete sich nicht nach den Menschen, sondern es sollte eine perfekte Umgebung für die Maschinen gewährleistet sein. Die Konsequenz: niedrige Luftfeuchtigkeit, starker Lärm, ständige Zugluft und ein leichter Überdruck von 0,2 bar machte die Grundnetzschalt- und Vermittlungsstelle nicht zum Traumarbeitsplatz.

Frieder Leipold mit dem Messgerät, das die Qualität der Luft im Bunker misst
Ein löchriger Käse aus Beton
Im Verteidigungsfall und bei einer Verseuchung (atomar, biologisch oder chemisch) wäre man nicht so einfach hinunter spaziert. Dann müsste die Entseuchungsstation durchlaufen werden, was auch zur Folge hätte, sich von sämtlichen Kleidungsstücken zu verabschieden. Dreieinhalb Meter starke Mauern nach oben und unten und eineinhalb Meter dicke Zwischenmauern sollten dafür sorgen, dass die Anlage einen Bombenangriff übersteht: „Wenn man das Volumen des Bunkers betrachtet, dann sind 85 Prozent massiver Beton und nur 15 Prozent Hohlräume. Das ist wie ein Riesenkäse mit ein paar Löchern drin“, so Frieder Leipold. Im Ernstfall hätte sich der Bunker eineinhalb Meter bewegen können, weshalb die lebensnotwendigen Anlagen zur Luft-, Wasser- und Stromversorgung auch auf speziellen „Stoßdämpfern“ installiert wurden. Das Herzstück der Anlage waren der Fernsprechbereich und der Fernschreibbereich, dazu kamen z.B. ein technischer Übungsraum, eine Verstärkerstelle der Deutschen Bundespost, ein Dekontaminierungsbereich, Räume für Filter und Notstromaggregat, eine Pumpanlage für die Wasserversorgung (das Wasser diente auch den Anlagenkühlung), Sozialräume und mehr. Über zwei Notausstiege konnte das Personal im Fall der Fälle an die Oberfläche gelangen.
Die eigenen Leute wussten nichts – die DDR schon
Der Fernmeldebunker gehörte zu einem Netz an Kommunikationseinheiten, die über die ganze BRD verteilt waren. Die optimale Lage im vorhandenen Liniennetz der Deutschen Bundespost und die Möglichkeit, die Fernmeldestelle vor Ort durch Brunnen mit Wasser zu versorgen, waren zwei der Argumente, die für den Standort sprachen. 1962 wurde mit dem Bau begonnen – unter strengster Geheimhaltung. In Pfaffenhofen kursierten Gerüchte, es werde dort eine Anlage zum Start von Atomraketen gebaut. Dafür wurde das Projekt von Anfang an ausspioniert. Als die Anlage 1966 in Betrieb genommen wurde, war das in der DDR längst kein Geheimnis. „Im DDR Funk wurden alle Mitarbeiter der unterirdischen Fernmeldestelle namentlich gegrüßt und der Pfaffenhofener Bevölkerung viel Glück mit dem Bunker gewünscht, da er bei einer Militäraktion aus dem Osten eines der ersten Ziele sein würde,“ schreibt Andreas Sauer in der Bunker-Ausgabe der Pfaffenhofener Stadtgeschichte(n).
Tauchstation, Rotlicht-Etablissement oder Schwammerlzucht
1997 wurde der Fernmeldeverkehr wegen „Wegfall des Verteidigungsbedarfs“ eingestellt, der Erbbaurechtsvertrag mit der Stadt gekündigt. Die Anlage war für die Bundewehr nicht mehr von Nutzen und das hat man der Stadt Pfaffenhofen auch mitgeteilt. Allerdings hieß es von Bundewehrseite, dass man für die „Einbauten“, die man dort gemacht habe, eine Entschädigung wünsche. „Die Stadt hatte geantwortet, dass man gerade keinen Fernmeldebunker brauche. Also nehmt ihn halt mit!“ erklärt Frieder Leipold. Es folgten langwierige Verhandlungen und schließlich hat die von der Stadt verwaltete Hl. Geist- und Gritsch’sche Fundationsstiftung das Gelände übernommen – den Bunker gabs dazu. So ist eine mittelalterliche Stiftung, die sich der Altenhilfe verschrieben hat, im Besitz eines Atomschutzbunkers – das dürfte ziemlich einmalig sein. Aber was tun mit einem eher unpraktischen Gebäude? Im Zuge der damals populären TV-Serie „Der Schwammerkönig“ wurde laut Leipold über eine Schwammerlzucht nachgedacht, ebenso stand im Raum, den Bunker mit Wasser zu fluten und eine Tauchstation daraus zu machen. Auch die Idee, ein Etablissement für gewisse Bedürfnisse einzurichten stand im Raum. „Letztendlich hat man sich entschlossen, es als ein Denkmal aus dem Kalten Krieg zugänglich zu machen,“ erklärt Kunsthistoriker Leipold. So begann 2012 eine neue Karriere für den Bunker als „Anschauungsobjekt“. Fast gleichzeitig entstand die Idee, oberirdisch einen Garten der Begegnung anzulegen. Der InterKulturGarten wächst und gedeiht seitdem stetig. Das freut auch den Bunker-Experten: „Man wollte dieses Gelände, das früher für verhärtete Fronten stand, bewusst öffnen, damit sich hier Leute aus verschiedenen Kulturen begegnen können. Das ist das Beste, was man aus so einem ehemaligen militärischen Gelände machen kann.“
- Immer wieder finden sich in den Anlagen Elemente aus Gummi, damit sich Geräte und Maschinen bei einem möglichen Bombenangriff „mitbewegen“ können.
- An den Wänden des Bunkers befinden sich lumineszierende Kennzeichnungen für den Fall, dass das Licht ausfällt. Bis heute kann man hier „mit Licht zeichnen“.