Das Objekt ist durchaus furchterregend: Ein sogenanntes Herzstichmesser befindet sich in der neuen Sonderausstellung des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt. Unfreiwillig.
„Das Herzstichmesser stammt eigentlich aus unserer vorherigen Sonderausstellung zum Scheintod,“ erklärt Greta Butuci, Kuratorin der aktuellen Sonderausstellung, die die sogenannte „Ingolstädter Maskentonne“ in den Mittelpunkt stellt. Hier dreht sich alles um die Corona-Pandemie und wie in Ingolstadt darauf reagiert und damit umgegangen wurde. Aber zwischen Mund-Nasen-Schutz-Nähanleitungen, einem Coronavirus-Glaskunstobjekt und historischen Pocken-Impfnachweisen liegt in einer Vitrine eben dieses Messer. Es ist ein „Opfer“ der Corona Pandemie geworden – oder ein Glücksfall für das DMMI.

In der aktuellen Schau wird das Herzstichmesser zusammen mit dem abgelehnten Dienstreiseantrag präsentiert.
„Als wir die Leihgabe aus Wien zurück bringen wollten, war Wien gerade zum Risikogebiet erklärte worden. Und so ist dieser Dienstreiseantrag von Herrn Unterkircher, der das Objekt zurück bringen wollte, abgelehnt worden,“ erläutert Greta Butuci. Der schnöde Antrag ist nun ein Museumsstück, denn er ergänzt das Geschehen unter Glas und mutierte zum Zeugnis von Grenzschließungen in einem außergewöhnlichen Jahr. Das Herzstichmesser selbst stammt aus der Zeit um 1800 und ist normalerweise in der Anatomischen Sammlung im Narrenturm in Wien zuhause. Dort kommt es bis auf weiteres nicht hin.
Wozu war das Messer gut? Wie der Name schon sagt, wurde damit ins das Herz gestochen. Das Herz eines Menschen – und das auch noch auf Wunsch des selbigen. Es ging darum, einen möglichen Scheintod und damit die Gefahr, lebendig begraben zu werden, zu vermeiden. Über eine Verfügung konnte ein Patient seinen Arzt zu diesem „letzten Eingriff“ mittels Herzstich verpflichten. Und so durchbohrte ein Mediziner anlässlich der Ausstellung des Totenscheins „sicherheitshalber“ das Herz des vermeintlich Toten (der anschließend garantiert tot war) mit diesem speziell geformten Messer. Die Methode war 100 Prozent erfolgversprechend, rettete aber natürlich keinem Scheintoten das Leben. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis in die 1850er Jahre war die Angst vor dem sogenannten „Scheintod“ in Deutschland und Österreich, von wo das Messer stammt, weit verbreitet.
Den Herzstich verfügten übrigens nachweislich der österreichische Dramatiker Johann Nepomuk Eduard Ambrosius Nestroy, der Klavierbauer Ignaz Bösendorfer und der Arzt Arthur Schnitzler. Ein weiterer berühmter „Herzstichkandidat“ war Bertolt Brecht. Er legte 1956 fest, dass nach seinem Tod ein Stich durchs Herz getrieben werden sollte, um den Tod auch wirklich sicherzustellen. Als er am 14. August 1956 in der Berliner Charité starb, wurde seinem Wunsch entsprochen.
P.S.: In Wien kann man sich übrigens den Herzstich noch heute wünschen.