Warten auf ein Wunder

Es liegt in der Natur eines Wunders, dass es sich auf wundersame Weise ereignet. Wenn es sich ereignet. Man kann es ja schlecht herbei befehlen. Oder doch? Wäre das nicht vielleicht genau die Methode, die im Fall des Ingolstädter Jesuitenpaters Jakob Rem angewendet werden müsste? Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke meinte schließlich jüngst im Rahmen einer Tagung der Katholischen Akademie in Bayern, dass man den als äußerst pflichtbewusst geltenden Pater Rem im Prinzip an dessen Grab mit einem Wunder beauftragen müsse. Ansonsten werde das wohl nichts: „Wir werden bis in alle Ewigkeit auf ein Wunder warten,“ erklärte der Eichstätter Bischof.

Pflichtbewusst und bescheiden. Das sind die Merkmale, die diesen Jesuitenpater kennzeichnen, der im Juni 1546 in Bregenz zur Welt gekommen ist und mehr als zwei Jahrzehnte am Ingolstädter Jesuitenkonvikt als Erzieher gewirkt hat. Ein großer Star ist er nicht unter all den Männern und Frauen, die im Rufe der Heiligkeit verstorben sind, allerdings wurde er schon zu Lebzeiten als Heiliger verehrt. Jakob Rem stammte aus einer einfachen Gastwirtsfamilie, daher war es eigentlich unwahrscheinlich, dass er einmal eine große Karriere als Gelehrter machen würde. Der wissbegierige Jugendliche kam an der Lateinschule in Dillingen, die er besuchte, mit dem jungen Orden der Jesuiten in Kontakt. Die Gesellschaft Jesu war vom Augsburger Fürstbischof Otto Truchseß von Waldburg beauftragt worden, die Schule zu leiten. Angesichts der Reformation benötigte die Katholische Kirche zu dieser Zeit gute Seelsorger mit einer exzellenten Ausbildung, um die Krise zu überstehen. Die Jesuiten waren in Sachen Bildung und Erziehung die hochspezialisierten „Krisenbewältiger“. 1566 trat Jakob Rem in den Orden ein, sein Noviziat absolvierte er in Rom. Es folgten Studienjahre in Dillingen, die Priesterweihe in Augsburg, sowie der Einsatz als Subregens in Dillingen und München. 1586 schließlich wurde er dem Jesuitenkolleg in Ingolstadt zugeteilt, wo er bis zum seinem Tod tätig war. Pater Jakob Rem verstarb am 12. Oktober 1618. Seine Gebeine ruhen in der Gnadenkapelle der Dreimal Wunderbaren Mutter im Ingolstädter Liebfrauenmünster.

Rem und die Gottesmutter Maria

In erster Linie war Jakob Rem Erzieher. Und darin muss er ein wahrer Meister gewesen sein. Er gründete in Ingolstadt das Colloqium Marianum, einen geistlichen Gesprächskreis für begabte Studenten des Jesuitenkellogs. Die Mitglieder des Colloqiums sollten zur „Heiligkeit des Lebens“ geführt werden und unterwarfen sich dafür strengen Regeln. Eine ganze Generation von Priestern, Laien und Ordensleuten hat er so geprägt und etliche weltliche Herrscher sind von ihm im jesuitischen Geiste erzogen und auch inspiriert worden, darunter Erzherzog Ferdinand von Österreich (Kaiser Ferdinand II.) und der bayerische Kurfürst Maximilian I. „Er muss eine enorme empathische Gabe gehabt haben, sonst wäre dieser stille, unauffällige Jesuit nicht so an die jungen Menschen heran gekommen,“ erklärt Bischof Gregor Maria Hanke. Dabei seien die kirchenpolitischen Umstände zu Zeiten Rems auch noch äußerst schwierig gewesen. „Wir jammen heute, weil angeblich alles so schwierig und so kompliziert geworden ist. Pater Jakob Rem macht uns Mut, dennoch positiv zu handeln und zu wirken.“ Faszinierend sei an dem Jesuitenpater auch, dass er – obwohl er kein schriftliches Werk veröffentlicht hat – eine Bewegung auslöste. Pastoralseelsorge brauche Begleitung, Begegnung mit den Menschen, das habe Rem gezeigt, meint Bischof Hanke. Die „Erzieherin schlechthin“ sei für den Jesuiten immer die Gottesmutter Maria gewesen, die er zeitlebens sehr verehrt hat. Und damit passte er auch in seine Zeit: „Die Marienverehrung wurde ein nachhaltiges Instrument der katholischen Reform“, erläutert Bischof Gregor Maria Hanke. In Rom war Rem mit der Marianischen Kongregation in Berührung gekommen, in Dillingen gründete er 1574 die erste Marianische Kongregation in Süddeutschland. Als er nach Ingolstadt kam, gab es dort bereits eine Akademische Marianische Kongregation, die auf Veranlassung von Petrus Canisius (Rektor und Theologieprofessor der Universität Ingolstadt) gegründet worden war. Durch das Engagement Rems blühte die Congregation in Ingolstadt regelrecht auf, auch das bereits erwähnte Colloqium Marianum, das von Jakob Rem gegründet worden war, war eine „Abteilung“ dieser Marianischen Kongregation in Ingolstadt.

Die Dreimal Wunderbare Mutter in Ingolstadt

Die Marienverehrung spielt eine zentrale Rolle im Leben von Jakob Rem und sie ist zugleich mit dem Ereignis verknüpft, das schließlich sogar zu einer der größten Marienwallfahrten im süddeutschen Raum führte – der Anbetung der Dreimal Wunderbaren Mutter in Ingolstadt. Dazu ist aber zunächst ein Blick nach Rom nötig. Das berühmte Gnadenbild „Maria Schnee“ aus der Kirche Santa Maria Maggiore durfte im 16. Jahrhundert nach Aufhebung eines Jahrhunderte alten Verbots kopiert werden. Die erste Kopie außerhalb Roms ging an das Ingolstädter Jesuitenkolleg, wo sie in der Kapelle des Konvikts verehrt wurde. So auch am Abend des 6. April 1604. Bei der Anbetung des Marienbildes soll Pater Rem „kniend empor gehoben“ worden sein – und das in jedem Moment, als die Colloquisten das „Mater admirabilis“ (wunderbare Mutter) angestimmt hatten. Pater Rem soll daraufhin gefordert haben, diese Anrufung zwei weitere Male zu wiederholen und so wurde es zunächst im Kolleg in Ingolstadt, später sogar in etlichen europäische Ländern gebräuchlich, das „Mater admirabilis“ dreimal zu singen. Eine offizielle Bewertung des Geschehens am 6. April 1604 gibt es nicht. „Es war ein himmlischer Moment während der Anrufung der wunderbaren Mutter “, so Bischof Hanke. Aber ob tatsächlich eine Levitation stattgefunden hat, wie in mündlichen Überlieferungen behauptet wird, ist fraglich. Und es spielt im Prinzip auch keine Rolle. „Es war sicherlich ein außergewöhnlicher Moment der Gnade.“ Fest steht, dass das außergewöhnliche Ereignis einen – heute würde man sagen – „Boom“ auslöste. Das Gnadenbild entwickelte sich zu einer der meistverehrten Mariendarstellungen in Süddeutschland. Heute befindet sich das Bild in einer Seitenkapelle des Liebfrauenmünsters, seit 1942 ist im Übrigen das Bistum Eichstätt der Dreimal Wunderbaren Mutter geweiht.

Jakob Rem und „Maria Knotenlöserin“ in Augsburg

Eine Legende, die sich um Pater Rem rankt, taucht immer wieder im Zusammenhang mit dem Gemälde „Maria Knotenlöserin“ auf, das in Augsburg in der Kirche St. Peter zu finden ist. Er soll für ein Ehepaar gebetet haben, dessen Ehe völlig zerrüttet war. Wolfgang Langenmantel, der Ehemann, war ein Schüler des Jesuitenpaters und soll von Augsburg nach Ingolstadt gereist sein, um Pater Rem um Hilfe zu bitten. Vor dem Bild der Dreimal Wunderbaren Mutter soll der Jesuit geäußert haben: „In diesem religiösen Akt erhebe ich das Band der Ehe, löse alle Knoten und glätte es.“ Daraufhin waren sämtliche Zwistigkeiten zwischen den Eheleute verflogen. Der Enkel des Ehemanns, Hieronymus Ambrosius Langenmantel habe später das Bild der „Maria Knotenlöserin“ anfertigen lassen. Allerdings scheint ein Zusammenhang zwischen dem Gemälde und der Geschichte um Jakob Rem in weiten Teilen konstruiert, meint der Theologe Leo Hintermayr (Referent für diözesangeschichtliche Aufgaben im Bischöflichen Generalvikariat Eichstätt), da weder ein Motiv für der Stiftung des Bildes im Jahr 1700, noch die Aussagen Jakob Rems überliefert sein. Trotzdem ist das Bild ein Zeugnis höchster Marienfrömmigkeit. Höchste Verehrung genießt eine Kopie des Gemäldes in der Kirche San José del Talar in Buenos Aires, das dort im Übrigen auf Anweisung von Jorge Mario Bergoglio SJ, dem heutigen Papst Franziskus, dort angebracht wurde.

Und was ist nun mit der Seligsprechung von Jakob Rem?

1932 wurde ein Seligsprechungsverfahren eingeleitet, das jedoch 1949 unterbrochen wurde. 2010 wurde das Verfahren auf Bemühungen des Eichstätter Bischofs Gregor Maria Hanke wieder aufgenommen. Jetzt heißt es warten. Warten auf ein Wunder, das noch fehlt, um den Prozess abzuschließen.

Buchtipp:

P Jakob Rem SJ (1546 – 1618). Beiträge zur Bedeutung der Wirkungsgeschichte eines begnadeten Erziehers und Marienverehrers.
Herausgeber: Ludwig Brandl, Ernst Reiter
EOS – Editions Sankt Ottilien
ISBN 978-3-8306-7927-1

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