Geweiht – geheilt? Der Hubertusschlüssel gegen Tollwut

Manchmal sind es die kleinsten Objekte, die größte Verzückung verursachen. Und bei Museumsleiter Dr. Maximilian Böhm ist die Begeisterung spürbar, wenn man ihn nach seinem Lieblingsobjekt in der aktuellen Sonderausstellung „Ins Maul geschaut – Episoden der Tiermedizin in Bayern“ fragt.

In einer Vitrine liegt ein kleines Instrument, das an die Mini-Version eines Brandzeichens erinnert. Und irgendwie ist es das auch. Es handelt sich um einen sogenannten Hubertusschlüssel, der in der Sammlung des Zentrums Stadtgeschichte (das Bauerngerätemuseum gehört zu selbigem) wieder entdeckt wurde: „Er ist tatsächlich bei einer Inventur aufgetaucht – mit dem alten Pergamentanhängerchen, dessen Schrift auf die Zeit um 1800 hindeutet,“ so der Museumsleiter. Auf dem Zettel hat der Besitzer vermerkt:

Dies ist ein geweihter Huberti-Schlüssel. Ich habe solchen als Oberschreiber beym Gericht Landsberg von denen Erben des H. Pfarrer Kornwinters zu Geltendorf seel. Verehrter bekommen. Lorenz Kellermann (?)

Das glühende „Hörnlein“ des Hubertusschlüssels wurde auf Bisswunden gedrückt, im diese auszubrennen. Aber als geweihter Schlüssel, der dem Besitzer vom Pfarrer übergeben wurde, hatte der Heilungsprozess auch eine spirituelle Komponente: Nach der Anwendung musste eine mehrtägige Andacht gehalten werden und das Vieh sollte ausschließlich mit Futter, das dem Hl. Hubertus geweiht war, versorgt werden. „Das Ausbrennen ist sicherlich der `vernünftige` Teil dabei. Aber man musste eben auch bestimmte Gebete sprechen. Wenn es sich um Vieh handelte, musste man Messen anschaffen und geweihte Dinge verfüttern. Das war eine Mixtur in der Not, der Verzweiflung und in dem Nicht-Wissen, um im Glauben und im Aberglauben Hilfe zu finden,“ erklärt Dr. Maximilian Böhm.

Ingolstadt als “Wiege” der gelehrten Tiermedizin

Die Heilung kranker Tiere wurde über Jahrhunderte den Badern, Scharfrichtern, Abdeckern, Schmieden und Hirten anvertraut. Und wenn man es sich leisten konnte, dann kümmerte sich ein Stallmeister um die Pferde. Aber das Vertrauen in so einen „Gschtudierten“ war anfangs nicht weit verbreitet – auch nicht in Ingolstadt. Obwohl hier die Geschichte der gelehrten Tiermedizin begonnen hat.

Gerätschaften zur Behandlung von Pferden durch den Stallmeister

 

1781 wurde an der Ingolstädter Landesuniversität der erste Lehrstuhl für Tiermedizin in Bayern eingerichtet – ein idealer Anlass für das Bauerngerätemuseum in Hundszell, sich mit der Geschichte der Tiermedizin zu befassen: „Auch wenn die eigentliche schulische Einrichtung, die Thier-Arzney-Schule, von vornherein in München angesiedelt wurde, hat man es in den Kreisen der Veterinäre zunächst nicht vergessen, dass die ersten Vorlesungen in Ingolstadt zu hören waren. Vor allem hat man nicht vergessen, dass der Vater der bayerischen Veterinärmedizin Anton Will hieß und an der hiesigen Landesuniversität beim großen Pankraz von Leveling seine Ausbildung genoss,“ erklärte Dr. Maximilian Böhm bei der Ausstellungseröffnung. Bis Ende Oktober 2023 können sich Besucherinnen und Besucher über eben diese „Emanzipation“ der Tiermedizin und deren Bedeutung gerade auf dem Feld der Seuchenbekämpfung informieren. Zu Objekten aus der eigenen Sammlung und dem Stadtmuseum Ingolstadt hat die Tierärztliche Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München und das Deutsche Medizinhistorische Museum Ingolstadt beeindruckende Ausstellungsstücke beigetragen.