Frankensteins Kreatur: Ein Hybrid aus Ingolstadt

Beim Wort „Hybrid“ denkt man heutzutage – erst recht in der Autostadt Ingolstadt – an Automobile. Und zwar vorzugsweise an solche, die einen elektrischen und einen konventionellen Antrieb besitzen. Aber es gibt ein Hybridwesen, das in Ingolstadt „gebaut“ wurde und Weltruhm erreicht hat: Die Kreatur von Viktor Frankenstein.

„The dissecting room and the slaughter-house furnished many of my materials,“ lässt Mary Shelley ihren Viktor in ihrem weltberühmten Schauerroman „Frankenstein or The Modern Prometheus“ erklären. Oha. Also aus dem Seziersaal (dissecting room) und dem Schlachthaus (slaughter-house) stammten die Einzelteile für sein namenloses Wesen. Die 2,40 Meter große Kreatur bestand also auch aus tierischen Komponenten! Ein echter Hybrid – noch dazu voll funktionsfähig. Eine genaue Beschreibung des „Bauvorgangs“ fehlt allerdings in dem 1816 entstandenen Roman, da haben erst spätere Verfilmungen reichlich Spektakel samt Blitz und Donner hinzugefügt.

Ein Ingolstädter Stadtplan aus dem Jahr 1816. Im selben Jahr schrieb Mary Shelley ihren Roman, der wiederum Literaturgeschichte schreiben sollte. Markiert sind die Orte, an denen Student Frankenstein sein “Material” sammeln hätte können. Der Plan befindet sich im Frankenstein Raum der neuen Dauerausstellung des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt.

Vermutlich hätte sich aber Student Frankenstein, wenn es ihn gegeben hätte, was es natürlich nicht tut, in die Gegend des heutigen Rathausplatzes begeben, um an tierisches Baumaterial zu gelangen. Dort waren die Fleischbänke zu finden, die Ingolstadt schon 1342 als offene Verkaufsstände überliefert sind. Später fand der Verkauf wohl in Gewölben oder festen Holzhäuschen statt: „Nördlich von der Stadtmühle auf den freien Platze … waren die Krämerbuden aufgestellt und auch die Fleischhacker hatten daselbst ihre Waaren feil“ heißt es in der Ingolstädter Stadtgeschichte von Kurt Scheuerer. Bis zum Bau des Stadttheaters am Rathausplatz um 1873 war dort auch ein Schlachthaus vorhanden – heute steht dort das Sparkassengebäude. Viktor Frankenstein wäre also regelmäßig über den Rathausplatz geschlendert, um Ausschau nach passenden „Schweinshaxn“ oder „Stiernacken“ zu halten.