Eine Kirche, zwei Bistümer und jede Menge Streit

Diese Kirche hat viel mitgemacht. Das sieht man ihr an und genau das macht sie zu einem besonderen Ort. In der Ruinenkiche im Spindeltal bei Wellheim findet man keine goldenen Engel, keinen prunkvollen Stuck und keine barocke Pracht, sondern grobes Mauerwerk, eine spartanische Einrichtung und Metallstützen, die das Gebäude vor dem Einsturz bewahren. Vielleicht ist es genau dieses Angekratzte, Unperfekte und Bedrohte, das dem irdischen Leben wohl eher entspricht als goldener Prunk und die Menschen deshalb anspricht. Für Dr. Thomas Wienhardt, Leiter der Gemeindeentwicklung des Bistums Augsburg und Mitinitiator des Projekts „ortskundig“, stellt dieser Ort genau das dar: „Ich habe hier geheiratet,“ erzählte er beim Ortstermin, der die Vorstellung des Onlineportals www.ortskundig.de zum Thema hatte. „Dieser Ort passt so gut, weil hier sichtbar ist, was gebrochen war.“ In seinem Fall handelte es sich um eine ernsthafte Ehekrise, die fünf Jahre nach dem Ja-Wort im Standesamt mit der kirchlichen Trauung in der Ruinenkirche “Zu unserer lieben Frau vom Spindeltal” überwunden war.

 

Ob Maria geholfen hat? Man weiß es nicht. Aber für viele Gläubige ist die Kirche inzwischen wieder Wallfahrtsort, Kraftort und ein Ort des Dankes. Zahlreiche zeitgenössische Votivtafeln und Dankesbotschaften zeugen davon – und es kommen stetig neue hinzu. Dabei ist es fast schon ein Wunder, dass die Kirche selbst noch existiert, denn sie war immer wieder „Opfer“ von wenig christlichen Auseinandersetzungen ihrer christlichen Eigentümer.

In beidseitigem Einverständnis demoliert

Die Geschichte der Kirche beginnt 1478. In diesem Jahr erfüllte Graf Conrad von Helfenstein, damaliger Landvogt von Monheim, ein Gelübde und ließ den Bau anstelle einer kleinen Kapelle errichten. Die Marienwallfahrt erfreute sich sofort großer Beliebtheit, bis der Neuburger Pfalzgraf Ottheinrich – zum Protestantismus übergetreten – 1542 die Kirche schließen ließ. Und nicht nur das: Die Einkünfte aus der Wallfahrt nahm er dankend an, ebenso alles von Wert inkl. Messgewändern und Glocke. Das ausgeraubte Gebäude wurde zerstört, das Dach abgetragen und die Glasfenster zerschlagen – die Marienkirche wurde zum ersten Mal eine Ruine.

Im Jahr 1618 ist das Gebiet wieder katholisch geworden, aber der Wiederaufbau erfolgte erst 1727. Franz Ferdinand von Schwab, Herr auf Trippach und pfalz-neuburgischer Kastner zu Graisbach, war in der Nähe vom Pferd gestürzt, hatte sich aber nicht verletzt. Zur selben Zeit soll seine Frau zu Hause vom Hufschlag eines Pferdes im Gesicht getroffen worden sein, aber auch sie blieb unverletzt. Aus Dankbarkeit stiftete ein wertvolles Gemälde der Muttergottes und ließ es an der Ruine anbringen. Kurz danach kamen wieder Wallfahrer an den Ort und der wieder aufgestellte Opferstock füllte sich. 1747 wurde auf den Überresten der Kirche ein neues Gotteshaus errichtet, das bald wieder Opfer von Streitigkeiten wurde. „Sowohl der Pfarrer von Rögling (heute Schwaben), Bistum Eichstätt, als auch der Pfarrer von Wellheim (heute Oberbayern), Bistum Augsburg, stritten sich jahrzehntelang um die Einnahmen der Wallfahrt. Auch der Pfarrer vom benachbarten Ort Ensfeld (Bistum Eichstätt) beanspruchte die Gelder für sich. Mit Einverständnis der Ordinariate beider Bistümer (!!!) wurde die Spindeltalkirche 1782/83 deswegen demoliert“ kann man bei ortskundig.de nachlesen.

Wundersamer Fund

Nun sah es nach einem endgültigen Ende aus. Von dem Bau blieben nur noch Mauerreste übrig, zwischenzeitlich hatten sich Einsiedler dort niedergelassen. Am 5. Dezember 1931 wurde man wieder auf die Kirche aufmerksam, nachdem ein Arbeiter dort eine große Madonnenfigur aus Sandstein ausgegraben hatte. Vermutlich war diese schon vor der ersten Zerstörung durch Ottheinrich in Sicherheit gebracht worden. Aber wen wunderts: Auch an dieser Figur entzündete sich ein Streit, wem sie nun gehöre. Das Original befindet sich deshalb in Ensfeld und in der Spindeltalkirche ist eine Kopie zu sehen. Erst in den 1960 Jahren ist das übrige Gemäuer vor dem gänzlichen Einsturz bewahrt worden und in den 1980er Jahren wurde durch die Landjugend von Emskeim ein neues Holzkreuz aufgestellt. Später kamen ein Bild der Dreimal Wunderbaren Mutter von Schönstadt, eine Bild der Spindeltal-Madonna und ein Altar dazu, bis schließlich der Förderverein „Freunde der Spindeltalkirche“ die Kirche überdachte, mit Bänken ausstattete und Fenster und Türen einbaute. Im Oktober 1996 segnete der Eichstätter Bischof Walter Mixa die Ruinenkirche „Zu unserer lieben Frau im Spindeltal“.

Übrigens: Noch heute verläuft die Bistumsgrenze mitten durch die Kirche. Der Altarraum liegt laut ortskundig.de bis zur Treppe im Bistum Augsburg, das Kirchenschiff in Eichstätt. Die Kirche gehört insgesamt zum Bistum Augsburg.