Eine „App“ des Barock: das Ingolstädter „Schranen Büchlein“

Wann immer der Mensch ein Geschäft abschließt, ist Mathematik im Spiel. Und weil das mit der Rechnerei schon immer lästig oder auch fehlerhaft war, wurden pfiffige Hilfsmittel erfunden. Eines davon ist das „Schranen Büchlein“ aus Ingolstadt.

Sprachen, Adressen, Gewichte, Entfernungen – mit einem Klick auf der richtigen App behält man heutzutage überall auf der Welt den Überblick. In Sekundenschnelle werden Kilometer in Meilen umgerechnet oder Bedienungsanleitungen übersetzt. Und vor dem Internetzeitalter? Auch da gab´s schon etliche praktische Helferlein, um einem das Leben zu erleichtern. Beim Einkauf von Getreide in der Schranne (befand sich – logischerweise – in der heutigen Schrannenstraße) griff der Ingolstädter in der Barockzeit beispielsweise zum „Schranen Büchlein“. Dieses kleine, kompakte Buch war damals ein verbreiteter Gebrauchsgegenstand – heute findet sich noch genau ein Exemplar in der Wissenschaftlichen Stadtbibliothek in Ingolstadt. „Wir haben im Rahmen der Katalogisierung unserer Bestände festgestellt, dass es dieses Büchlein nur bei uns gibt. Das hat uns überrascht,“ erklärt Bibliothekarin Maria Eppelsheimer. Das „Schranen Büchlein“ ist das älteste dieser Art in der Sammlung – solche Tabellenbücher wurden bis Anfang des 19. Jahrhunderts genutzt.

Bibliothekarin Maria Eppelsheimer mit dem Schranenbüchlein

Das kleine, kompakte Buch besteht aus „2 ungezählten Blättern, 428 ungezählten Seiten und weiteren 4 ungezählten Blättern“ und ist im Jahr 1687 in Ingolstadt erschienen. Sein genauer Titel lautet:

Schranen Büchlein, Der Churfürstliche[n] Haubttstatt und Vestung Ingolstatt, nach deroselben Getraid Mässereyen und Schranen-Zetlen gerichtet, und zu jedermänniglich nutzlichen gebrauch

Thomas Graß wird als der Buchdrucker genannt, geschrieben und publiziert wurde das Werk Johann Zinzl aus Ingolstadt. Es enthält unzählige Umrechnungstabellen, die beim Kauf von Getreide zum Einsatz kamen, etwa um Schaff (Scheffel) in Metzen umzurechnen und für die jeweiligen Stückzahlen Preise zu bestimmen. „Das ungewöhnliche Format ist darauf zurückzuführen, dass man es in die Tasche stecken konnte,“ erklärt Maria Eppelsheimer. Der Verwendung von säurefreiem Papier ist es zu verdanken, dass das Buch trotz regelmäßiger Nutzung und seines hohen Alters immer noch in gutem Zustand ist. Ein leichter Goldschnitt ist auch noch zu erkennen, lediglich die Verschlussspangen am Holzdeckeleinband sind verloren gegangen.

In die Wissenschaftliche Stadtbibliothek kam die kleine Kostbarkeit über den Historischen Verein, wer aber der ursprüngliche Besitzer war, wird sich wohl nicht mehr feststellen lassen. Im Umschlag sind handschriftliche Notizen erkennbar, die aber (noch) nicht entschlüsselt werden konnten. Aber wer weiß: Im Zuge der Katalogisierung der rund 2500 Altdrucke der Stadtbibliothek soll das „Schranen Büchlein“ auch digitalisiert werden und in Zukunft online einsehbar sein. Vielleicht ergeben sich dann durch die weltweite Verfügbarkeit neue Hinweise.

Titelbild: Bernd Betz