Ein französischer Held auf einem bayerischen Feld

Naturdenkmal? Na, das ist doch nichts besonderes. Ach so: La Tour Denkmal. Gut. Das ist wirklich einzigartig. In Oberhausen befinden sich 286 Quadratmeter französisches Staatsgebiet, weil dort an Théophile Malo Corret de la Tour d’Auvergne erinnert wird, der 1800 in der Nähe sein Leben ließ.

Wir schreiben den 27. Juni 1800. Hier in Oberhausen sind verbündete österreichische und bayerische Truppen auf die Armee der französischen Republik getroffen. Der 56-jährige Grenadier Théophile Malo Corret de la Tour d’Auvergne wird von einem österreichischen Reiter schwerst verletzt. Was danach passiert, beschreibt Heimatforscher Georg Habermayr folgendermaßen: „Latour d’Auvergne wurde nach seiner schweren Verwundung von Kameraden nach Unterhausen, zuerst in die Dorfschmiede, (ehemalige Haus-Nr. 23, heute Latourstraße 29), gebracht, später dann in das schräg gegenüberliegende, größere Forsthaus von Unterhausen, (ehemalige Haus-Nr. 28, heute Dr. Kirchner-Platz 2).“ Dort verstirbt der Verletzte. Ein Schild an dem Gebäude erinnert heute noch an den Sterbeort des Franzosen.

„Der tapfere Latour d’Auvergne hat am 27. Juni auf der Höhe von Neuburg einen glorreichen Tod im Kampf gefunden. Der erste Grenadier der Armee der Republik fiel durch einen Lanzenstich in das Herz,“ so hieß es in einem Tagesbefehl von General Jean Victor Moreau, auf den Georg Habermayr in seinen Recherchen gestoßen ist. Der Titel „erster Grenadier“ wurde dem Adeligen la Tour d’Auvergne von Napoleon im April 1800 verliehen, weil dieser sich als einfacher Grenadier – wieder – für den Militärdienst gemeldet hatte. Eigentlich war er als Offizier bereits „im Ruhestand“, aber er nahm freiwillig die Stelle eines junge Mannes ein. Dieser Sohn seines besten Freundes hätte eigentlich zum Wehrdienst eingezogen werden sollen.

Der Leichnam in Oberhausen – das Herz als Reliquie

Im Forsthaus in Unterhausen wurde der Leichnam des gefallenen Soldaten obduziert. Auch dazu gibt es Aufzeichnungen: „Dem Protokoll der Autopsie zufolge ist die Ulanenlanze nicht eingedrungen; es war die Gewalt des Schocks, die den Tod verursacht hat, vielleicht durch das Reißen eines Aneurismas, oder durch einen Stoß auf das Herz,“ heißt es in einem Brief an den französischen Kriegsminister. Das Herz La Tours hat man dabei entnommen und in eine Silberkapsel gepackt, die von den Kameraden der 46. Halbbrigade bezahlt wurde. Als Reliquie ist es danach von dieser Militäreinheit in weitere Schlachten mit geführt worden, bis sie 1807 beinahe in die Hände des Feindes gefallen wäre. Napoleon ließ die Urne daraufhin im Pantheon in Paris aufbewahren, nach dem Ende des ersten Kaiserreichs ging sie in Familienbesitz über, 1904 wurde sie in der Gruft der Gouverneure im Invalidendom beigesetzt und seit 1933 ruht das Herz von Théophile Malo Corret de la Tour d’Auvergne nun in der St. Gregorkapelle des Pariser Invalidendoms.

Das Denkmal für Théophile Malo Corret de la Tour d’Auvergne in Oberhausen war nicht immer nur ein Denkmal. Es war (und ist) auch sein Grabmal, denn der Verstorbene wurde hier auch bestattet – zusammen mit dem bei der Schlacht gefallenen Oberst Forty und zwei weiteren Soldaten der französischen Armee. 1809 war Kaiser Napoleon persönlich vor Ort, um das La Tour Grabmal zu besuchen. Sein heutiges Aussehen erhielt das Grabmal 1837, seitdem thront ein Steinsarkophag auf der Anhöhe und ein Weg von der Staatsstraße führt hinauf zu diesem kleinen Flecken Frankreich. Auch damals gabs übrigens schon Probleme mit Vandalismus, weshalb eine Renovierung dringend nötig war. Und weil man für die Bauarbeiten die Gebeine exhumieren musste, ergab sich die Gelegenheit, dem toten Helden wurden laut Habermayr „ein gewundener Haarzopf vom Hinterkopf sowie zwei Hemdmanschettenknöpfe“ entnommen und an den Historischen Verein von Neuburg übergeben.

1981 wurde ein Gedenkstein zu Ehren der gefallenen bayerischen und österreichischen Soldaten am La Tour Denkmal angebracht.

1889 schließlich war es vorbei mit der „ewigen Ruhe“: Als Held der 1. Repubik sollte La Tour (bzw. sein Leichnam) nach Paris überführt werden, was dann auch – feierlich – geschah. Der Haarzopf und die Knöpfe, die dem Historischen Verein überlassen worden waren, wechselten ebenfalls den Besitzer und wurden an eine französische Delegation übergeben. Das entsprechende Glaskästchen wird bis heute in La Tours Heimatstadt Carhaix bei Umzügen ihm zu Ehren verwendet. Die Familie des Helden war mit der Überführung der Gebeine nach Paris in das Pantheon übrigens nicht einverstanden, denn sie waren der Überzeugung, dass der gefallene Offizier lieber bei seinen Kameraden, die weiterhin in Oberhausen bestattet sind, geblieben worden wäre.

Infotafeln auf deutsch, französisch, englisch und….ähhhh?

Heute ist das La Tour Denkmal eine Sehenswürdigkeit und ein Ort der Völkerverständigung, immer wieder finden hier Gedenkveranstaltungen statt. Der Besucher wird direkt an der Staatsstraße auf vier Infotafeln über den historischen Ort informiert – auf deutsch, englisch, französisch und… Bei Sprache Nummer vier kommen die meisten ins Grübeln. Da steht zum Beispiel zu lesen: „En deiz hiziv c’hoazh ez eo perc’henn Stad Frans war an dachenn etre Oberhausen hag Unterhausen ha war ar c’hounlec’h.“ Die Übersetzung lautet: „Noch heute ist der französische Staat Eigentümer des Grundstücks zwischen Ober- und Unterhausen und des Denkmals.“ Die seltsame, schwer zu identifizierende Sprache hat etwas mit La Tour, seiner Herkunft und seinen Forschungen zu tun. Der hoch gebildete Adlige stammte aus der Bretagne und hat sich der Erforschung der bretonischen Sprache und Kultur gewidmet. Ihm haben wir auch die Begriffe „Dolmen“ und „Menhir“ zu verdanken, die noch heute für Megalithen (der Asterix-Leser kennt sie als Hinkelsteine) verwendet werden.

Mehr Infos unter: https://oberhausen-donau.de/freizeit/geschichte/das-latour-denkmal