Der Totenschädel unter dem netten Engel sollte einen stutzig machen: Hier geht es um Vergänglichkeit. Und diese Vergänglichkeit betrifft auch die mächtigste Herrscher. In diesem Fall Maximilian I. von Bayern (geb. am 17. April 1573 in München), Herzog von Bayern und ab 1623 Kurfürst des Heiligen Römischen Reiches. Er ist in Ingolstadt verstorben und ein Teil des Herrschers verweilt dort noch immer.
Man müsste diesen Röntgenblick von Superman haben, dann würden sich einem die Geheimnisse hinter Mauern, unter Böden und in Grüften sofort erschließen. Und der Besucher des Ingolstädter Münsters Zur Schönen Unserer Lieben Frau – kurz Liebfrauenmünster – wäre beim An- bzw. Durchblick des netten Engels, der sich zwischen den Seitenkapellen auf Höhe des Hochaltars befindet, schockiert. Dieses Memoriale für Maximilian I. hat es in sich, denn darin befindet sich ein Zinngefäß mit besonderem Inhalt: „Das sind Maximilians Eingeweide,“ erklärt Dr. Beatrix Schönewald, Historikerin und Leiterin von Stadtmuseum und Stadtarchiv. Das Memoriale weist deshalb die typischen Memento mori Motive auf: Totenschädel, Wurm, die Schlange als Zeichen von Vergänglichkeit und Versuchung.
Tödliches Ende einer Wallfahrt
Maximilian I. wurde im Herbst 1651 zusammen mit seiner Frau Anna und den Söhnen Ferdinand Maria und Maximilian Philipp vom Rat der Stadt Ingolstadt empfangen. Er wollte sich ein Bild von den Kriegsschauplätzen rund um Ingolstadt machen – erst drei Jahre zuvor war der Dreißigjährige Krieg zu Ende gegangen. Am 20. September unternahm er zusammen mit seiner Familie eine Wallfahrt nach Bettbrunn, bei der er sich offenbar eine folgenschwere Erkältung eingefangen hatte. Der 78-jährige litt außerdem an Brechdurchfall, wodurch sich sein Gesundheitszustand schnell drastisch verschlechterte. „Bald konnte der Herrscher das Bett nicht mehr verlassen und die Bemühungen der zwei Ingolstädter Ärzte und Apotheker waren vergeblich. Betend sah der greise Maximilian nach dem Empfang der heiligen Sakramente seinem Ende am 27. September entgegen,“ schrieb Doris Wittmann vom Ingolstädter Stadtarchiv anlässlich der Sonderausstellung „Maximilian I. von Bayern – Fürst der Zeitenwende“.
Keine gespaltene, aber eine zerlegte Persönlichkeit
Nach des Kurfürsten Tod folgte das damals bei Herrschern übliche und aus heutiger Sicht makabre Prozedere der Zerlegung eines Leichnams. Und so entnahm man dem toten Körper in Ingolstadt die Eingeweide, um diese mit Ausnahme des Herzens, auch hier an seinem Sterbeort zu bestatten. Das Herz befindet sich in der Gnadenkapelle in Altötting und der (restliche) Leib fand in der Wittelsbacher Grablege in St. Michael in München seine letzte Ruhe. „Diese getrennten Bestattungen waren die Regel, die Gründe waren unterschiedlich,“ erklärt Dr. Beatrix Schönewald: „Gerade Maximilian war ja sehr symbolverhaftet. Das Herz in Altötting hat natürlich mit der Verehrung der Maria als patrona bavariae zu tun. Mit ihm beginnt das Begräbnis der Herzen in Altötting.“
Nicht nur Teile, sondern „ganze Wittelsbacher am Stück“ sind auch im Liebfrauenmünster bestattet – aber das ist wieder ein Kapitel für sich…