Die durch die Hölle gingen

121 Überlebende aus den Konzentrationslagern der Nazis hat der Regensburger Fotograf Stefan Hanke porträtiert. Mehr als 50 dieser Portraits sind in einer Sonderausstellung im Ingolstädter Stadtmuseum zu sehen, darunter auch das Bild von Gertrud Roché aus Ingolstadt.

„Sie gehörte zur Verfolgten-Gruppe der Sinti und Roma“, erklärt Stefan Hanke. Geboren 1929 in Kunststadt / Oberschlesien, wurde sie im März 1943 aus der Schule heraus mit ihren Schwestern inhaftiert und in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Ihr „Vergehen“ bestand darin, der „Zigeunerrasse“ anzugehören. „Sie sehen auf dem Bild ihre Tätowierung, sie hatte ein Z neben der Nummer tätowiert. Ich vermute, dass dieses Z für Zigeuner stand,“ so Hanke.

In einem Nachruf des Zentralrats der Sinti und Roma auf Gertrud Roché wird ihr Leidensweg beschrieben: „In der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 wurden in Auschwitz-Birkenau etwa 4.300 Sinti und Roma in den Gaskammern ermordet, darunter auch Gertrud Rochés Mutter, ihre Tanten, Onkel und ihre jüngeren Geschwister. Gertrud Roché überlebte, da sie nach Selektionen durch die SS als ‘arbeitsfähig’ eingestuft und im Juli 1944 ins Konzentrationslager Ravensbrück verlegt wurde, von wo sie im Winter 1944 in das Außenlager Retzow-Rechlin des Frauen-KZ Ravensbrück kam. Von dort brachte sie die SS ins Außenlager Hamburg-Langenhorn (Ochsenzoll) des KZ Neuengamme, wo sie Zwangsarbeit in der Rüstungsproduktion leisten musste. In einem anderen Außenlager des KZ Neuengamme, Hamburg-Sasel, wurde die gerade 16-jährige Gertrud Roché zu schwerster Zwangsarbeit herangezogen, wobei sie schwerste gesundheitliche Schäden erlitt. In Hamburg-Sasel wurde sie am 6. Mai 1945 durch britische Truppen befreit.“

Stefan Hanke hat jedem seiner Portraits ein Zitat der abgebildeten Person zur Seite gestellt. Gertrud Roché erinnert sich darin an einen Moment, der die unfassbare Grausamkeit im KZ beschreibt:

„Keiner von uns konnte es tun. Also trug ich das tote Baby meiner Schwester zur Leichenbaracke. Ein Häftling nahm mir meine Nichte ab und schmiss sie in die Baracke. Ich sah, die Baracke war voll von Leichen.“

In den 1950er Jahren kam Gertrud Roché nach Ingolstadt, wo sie im April 2021 im Alter von 92 Jahren verstorben ist. Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, würdigte sie: „Mit ihrem Tod verlieren wir erneut eine ganz besondere Persönlichkeit unter den Sinti. Ihre Verdienste bestanden darin, dass sie die Erfahrungen ihrer leidvollen Verfolgungsgeschichte vor allen Dingen an die junge Generation von Sinti und Roma weitergegeben hat. Es hatte sie sehr viel Überwindung gekostet an den Ort ihres Leids, nach Auschwitz-Birkenau, zurückzugehen, an dem sie viele Angehörige, darunter ihre Mutter, verloren hat. Sie sagt aber zu mir, dass der Besuch von Auschwitz es ihr ermöglicht habe, Abschied zu nehmen von ihren Angehörigen, und dass sie für sich einen Neuanfang gefunden habe.“

Die Ausstellung “KZ überlebt” ist bis 27. März 2022 im Stadtmuseum Ingolstadt zu sehen. In regelmäßigen Abständen finden Kuratorenführungen mit Stefan Hanke in Kooperation mit dem Projekt „Opfer des Nationalsozialismus in Ingolstadt“ statt, es gibt Vorträge, Gesprächsrunden, Sonderführungen und es kann ein museumspädagogisches Angebot für Schulklasen gebucht werden. Infos zu Terminen und Veranstaltungen finden Sie unter http://www.ingolstadt.de/stadtmuseum